Die Grazer Kapellknaben erarbeiten eine szenische Produktion mit dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Zentrale Themen sind dabei:

  • Auf Reisen sein
  • Neu ankommen an einem fremden Ort
  • Reaktion des Umfeldes
  • Heimat und Geborgenheit finden

In der Planungsphase des Projektes war von Menschenströmen quer durch Europa noch keine Rede. So erhält unser Stück einen unerwarteten Aktualitätsbezug, den wir auch im Gottesdienst zum Abschluss des Sommercamps in der Pfarrkirche Irdning (Stmk) am 6. September 2015 aufgegriffen haben.

Einleitung

Am Ende des zweiten Weltkrieges flogen die Alliierten verheerende Bombenangriffe gegen mehrere deutsche und österreichische Städte. Die Angriffe hatten die Zivilbevölkerung zum Ziel um das Naziregime zum Aufgeben zu zwingen. Einige der bombardierten Städte wurden sprichwörtlich in Schutt und Asche gelegt. Wer nicht starb, stand nach den Detonationen vor den Trümmern seiner Existenz.

Was vor 70 Jahren bei uns in Europa geschah, passiert heute in Syrien, dem Irak, Palästina und vielen anderen Ländern. Damals wie heute werden Menschen ihres Zuhauses, ihrer Besitztümer und Geliebten beraubt. Damals wie heute suchen Menschen Zuflucht und Schutz vor solchen Gräueltaten. Doch während damals Flüchtenden eine neue Heimat geboten wurde, müssen heute Menschen in derselben hilflosen Situation bei Wind und Wetter in Traiskirchen unter einem Bus schlafen. Und das in Österreich, einem der reichsten Länder der Welt.

Und Österreich ist kein Einzelfall. England schließt die Grenzen, in Deutschland brennen die Asylheime, Ungarn baut einen gigantischen Wall um Flüchtende an der Einreise zu hindern und in ganz Europa schüren Hetzer Fremdenhass im Internet.

Wie kann man mit einer Geschichte wie der unseren solche Dinge zulassen?

Wie kann man einem Heimatlosen ein Dach über dem Kopf verwehren, nachdem einem vor nicht einmal 3 Generationen dasselbe gewährt worden ist?

Wie kann man jemandem, der sein Haus, seine Familie, seine Heimat verloren hat, als „Scheiß Asylanten“ bezeichnen?

Wie kann man solchen Hass als Politiker reinen Gewissens bewusst provozieren?

Und wie kann man solche Politiker auch noch wählen?

Haben wir nichts gelernt?

Damals wurde die Stadt Dresden fast komplett zerstört. Hunderttausende Menschen standen buchstäblich knietief im Schutt ihrer Identität und Existenz. Nicht nur die Wohnhäuser, sondern auch die Wahrzeichen der Stadt fielen dem verheerenden Bombardement zum Opfer. Unter den zerstörten Gebäuden war auch die Kreuzkirche. Sie war die Heimat des Kreuzchores, ein Knabenchor, wie auch wir, der allerdings schon seit dem 14. Jahrhundert existiert. Der Komponist Rudolf Mauersberger war damals der musikalische Leiter des Chores. Er versuchte die grenzenlose Verzweiflung der Überlebenden in seinem Werk „Wie liegt die Stadt so wüst“ einzufangen. Das Stück wurde 1945 in den Ruinen der Kreuzkirche uraufgeführt, nur wenige Monate nach deren Zerstörung. Wir werden nun dieses Stück für Sie singen, um an das gewaltige Leid heimatloser Menschen damals wie heute zu gedenken.

(Florian Lackner, Felix Klengel)

Rudolf Mauersberger (1889-1971) Wie liegt die Stadt so wüst

Wie liegt die Stadt so wüst, die voll Volks war. Alle ihre Tore stehen öde. Wie liegen die Steine des Heiligtums vorn auf allen Gassen zerstreut.

Er hat ein Feuer aus der Höhe in meine Gebeine gesandt und es lassen walten.

Ist das die Stadt, von der man sagt, sie sei die allerschönste, der sich das ganze Land freuet.

Sie hätte nicht gedacht, dass es ihr zuletzt so gehen würde; sie ist ja zu greulich heruntergestoßen und hat dazu niemand, der sie tröstet.

Darum ist unser Herz betrübt und unsere Augen sind finster geworden: Warum willst du unser so gar vergessen und uns lebenslang so gar verlassen!

Bringe uns, Herr, wieder zu dir, dass wir wieder heimkommen! Erneue unsre Tage wie vor alters. Herr, siehe an mein Elend!

Schriftlesung – Offenbarung, Auszüge aus Kapitel 18 und 19

Ich, Johannes, sah einen anderen Engel aus dem Himmel herabsteigen; er hatte große Macht und die Erde leuchtete auf von seiner Herrlichkeit. Und er rief mit gewaltiger Stimme: Gefallen, gefallen ist Babylon, die Große! Zur Wohnung von Dämonen ist sie geworden, zur Behausung aller unreinen Geister und zum Schlupfwinkel aller unreinen und abscheulichen Vögel.

Dann hob ein gewaltiger Engel einen Stein auf, so groß wie ein Mühlstein; er warf ihn ins Meer und rief: So wird Babylon, die große Stadt, mit Wucht hinabgeworfen werden und man wird sie nicht mehr finden.

Die Musik von Harfenspielern und Sängern, von Flötenspielern und Trompetern hört man nicht mehr in dir. Einen kundigen Handwerker gibt es nicht mehr in dir. Das Geräusch des Mühlsteins hört man nicht mehr in dir. Das Licht der Lampe scheint nicht mehr in dir. Die Stimme von Braut und Bräutigam hört man nicht mehr in dir. Deine Kaufleute waren die Großen der Erde, deine Zauberei verführte alle Völker.

Danach hörte ich etwas wie den lauten Ruf einer großen Schar im Himmel: Halleluja! Das Heil und die Herrlichkeit und die Macht ist bei unserm Gott. Seine Urteile sind wahr und gerecht. Er hat Babylon gerichtet. Er hat Rache genommen für das Blut seiner Knechte, das an ihren Händen klebte.

Noch einmal riefen sie: Halleluja! Der Rauch der Stadt steigt auf in alle Ewigkeit.

Und die vierundzwanzig Ältesten und die vier Lebewesen fielen nieder vor Gott, der auf dem Thron sitzt, beteten ihn an und riefen: Amen, halleluja!

Und eine Stimme kam vom Thron her: Preist unsern Gott, all seine Knechte und alle, die ihn fürchten, Kleine und Große!

Da hörte ich etwas wie den Ruf einer großen Schar und wie das Rauschen gewaltiger Wassermassen und wie das Rollen mächtiger Donner: Halleluja! Denn König geworden ist der Herr, unser Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung.

Wir wollen uns freuen und jubeln und ihm die Ehre erweisen. Denn gekommen ist die Hochzeit des Lammes und seine Frau hat sich bereit gemacht.

Jemand sagte zu mir: Schreib auf: Selig, wer zum Hochzeitsmahl des Lammes eingeladen ist. Dann sagte er zu mir: Das sind zuverlässige Worte, es sind Worte Gottes.

Evangelium nach Lukas, Kapitel 21, 20-28

Wenn ihr aber seht, dass Jerusalem von einem Heer eingeschlossen wird, dann könnt ihr daran erkennen, dass die Stadt bald verwüstet wird. Dann sollen die Bewohner von Judäa in die Berge fliehen; wer in der Stadt ist, soll sie verlassen, und wer auf dem Land ist, soll nicht in die Stadt gehen. Denn das sind die Tage der Vergeltung, an denen alles in Erfüllung gehen soll, was in der Schrift steht.

Wehe den Frauen, die in jenen Tagen schwanger sind oder ein Kind stillen. Denn eine große Not wird über das Land hereinbrechen: Der Zorn Gottes wird über dieses Volk kommen. Mit scharfem Schwert wird man sie erschlagen, als Gefangene wird man sie in alle Länder verschleppen und Jerusalem wird von den Heiden zertreten werden, bis die Zeiten der Heiden sich erfüllen.

Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres.

Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.

Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf einer Wolke kommen sehen. Wenn das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.

Gemeindegesang Gotteslob Nr. 479

  1. Eine große Stadt ersteht, die vom Himmel niedergeht in die Erdenzeit Mond und Sonne braucht sie nicht; Jesus Christus ist ihr Licht, Ihre Herrlichkeit.
  2. Lass uns durch dein Tor herein und in dir geboren sein, dass uns Gott erkennt. Lass herein, die draußen sind; Gott heißt Tochter, Sohn und Kind, wer dich Mutter nennt.
  3. Dank dem Vater, der uns zieht durch den Geist, der in dir glüht; Dank sei Jesus Christ, der durch seines Kreuzes Kraft uns zum Gottesvolk erschafft, das unsterblich ist.

Louis Lewandowski (1821-1894) Psalm 84

Wie lieb sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth! Es sehnte sich und schmachtete meine Seele nach den Höfen des Ewigen.

Mein Herz und Fleisch sie jubeln dem lebindigen Gotte zu. Der Sperling und die Schwalbe finden ein Nest zu bergen ihre Brut. So ruhen Sie in deinem Hause, Ewiger Zebaoth, mein Herr und Gott.

Heil ihnen, die in deinem Hause weilen, immerdar dich preisen. Heil dem Menschen, der seine Stärke nur suchet auf dem Pfad zu dir, mein Gott.

Und zieht er auch durchs Tal der Tränen, er wandelt es zur Segensquelle; es wächst die Kraft auf seinem Wege, der ihn zu seinem Gotte führt.

Ewiger, Herr Zebaoth, höre mein Gebet, horch auf Gott Jakobs, unser Schild! Von deinen Höhen schau auf uns herab.

Ja besser ist ein Tag in deinen Höfen als tausend sonst; lieber will ich harren an den Schwellen im Hause meines Gottes, als wohnen in den Zelten des Frevels.

Denn Sonne und Schirm ist Gott, der Ewige, ja Gut und Ehre gibt der Ewige, er weigert Glück nicht denen, die in Unschuld wandeln.

Herr Zebaoth! Heil dem Menschen, der auf dich vertraut.

€ 350,00 spenden die Kapellknaben an die Caritas der Diözese Graz-Seckau für Flüchtlingskinder.

Foto: Gerhard Donauer